Der Agroforst ist eine Anbauform bei der Monokulturen (oder auch Reinkulturen) zu Kombinationen von Bäumen und Ackerbau oder Weidewirtschaft zusammengefasst werden. Das interessante am Agroforst sind die Resultate: wissenschaftliche Untersuchungen haben ergeben, dass der Agroforst durch bessere Landnutzung Ertragssteigerungen gegenüber der Monokultur schafft. Außerdem gibt es positive Auswirkungen auf den Wasser- und Nährstoffhaushalt, und die Treibhausgasemissionen der Landwirtschaft. Tatsächlich könnte Agroforstwirtschaft in der ganzen EU eingesetzt sogar ein Drittel des jährlichen CO2-Ausstoßes der EU binden und langfristig im Boden speichern.
Inhaltsverzeichnis
Zahlen, Daten, Fakten: Die „normale Landwirtschaft“
An dieser Stelle möchte ich ein wenig Kontext herstellen. Aufzeigen, welchen großen Einfluss die Landwirtschaft eigentlich auf unsere Erde hat. Denn erst wenn Du verstehst warum die „konventionelle“ Landwirtschaft so problematisch ist, erkennst du das Potential der Agroforstwirtschaft. Die Aufzählung stammt aus Patrick Worms‘ Vortrag beim Online-Seminar aufbauende Landwirtschaft und ist natürlich ohne Anspruch auf Vollständigkeit. Hier also Zahlen, Daten, Fakten:
- ein Viertel der Emissionen kommt aus der Landwirtschaft
- Die Hälfte der Bevölkerung weltweit arbeitet in der Landwirtschaft. Das entspricht heute knapp 4 Milliarden Menschen! Davon arbeiten natürlich die allermeisten in der Selbstversorgung und nicht als kommerzielle Landwirt*innen.
- Zwei Drittel der von Menschen genutzten Landschaften geht auf das Konto der Landwirtschaft
- Drei Viertel des Süßwasserverbrauchs wird der Landwirtschaft zugerechnet
- Knapp 5% der Wirtschaftsleistung wird weltweit in der Landwirtschaft generiert
Es gibt also ein krasses Missverhältnis zwischen dem Ressourcenverbrauch der Landwirtschaft und der Wirtschaftskraft die sie tatsächlich erzeugt. Natürlich kommt das teilweise dadurch zustande, dass Lebensmittel heute im Wert stark gefallen sind. Trotzdem gibt es ein großes Verbesserungspotential, gerade bei den Emissionen, dem Wasserverbrauch und der Landnutzung. Vorweg sei eines gesagt: Der Agroforst ist eine Möglichkeit all diese Probleme anzugehen und die Milliarden von Existenzen in der Landwirtschaft langfristig zu erhalten.
Verschiedene Agroforst Systeme
Der Agroforst wird in drei verschiedene Anbauformen unterteilt:
- silvoarable Systeme: Bäume mit Ackerbau (lat. silva = Wald)
- silvopastorale Systeme: Bäume mit Weidewirtschaft
- agrosilvopastorale Systeme: Kombination aus Bäumen, Ackerbau und Tieren
Agroforst mit Ackerbau
Bei dieser Kombination werden häufig Nuss- oder Obstbäume mit den Feldfrüchten zusammen angepflanzt. An Orten wo wenig Stickstoff im Boden vorhanden ist, werden mitunter auch Stickstoff-fixierende Bäume gepflanzt, die das Wachstum der Pflanzen stärken. Vor allem in Afrika sind Stickstoff-fixierer beliebt, da sie die Abhängigkeit der Landbevölkerung von importierten chemischen Stickstoff-Düngern verringert. In Europa wäre eine Unabhängigkeit von gekauften Düngern natürlich auch wünschenswert. Allerdings kann man das durch eine entsprechende Zwischenfrucht im Winter genauso gut hinbekommen und den zusätzlichen Ertrag aus den Baumreihen mitnehmen.
Agroforst mit Tieren
Bei dieser Form des Agroforst Anbaus werden (Weide-)tiere mit Baumpflanzungen kombiniert. Die Tiere halten die umliegenden Gräser frei und düngen den Boden, was den Bäumen ein stärkeres Wachstum beschert. Die Früchte der Bäume kommen wiederum den Weidetieren zugute. Das erhöht den Anteil an selbst produziertem Futter – es muss weniger Silage zugekauft werden.
Kombinationssysteme
Bei dieser Form des Agroforst werden Bäume, Ackerbau und Tiere miteinander verknüpft. Im Rahmen einer Fruchtfolge werden zum Beispiel Hühner so eingesetzt, dass sie nach der Getreideernte die Ernterückstände fressen und den Boden für die nächste Saat vorbereiten und Düngen. In Kombination mit Bäumen wird daraus ein Agroforst System mit Ackerbau, Tieren und Bäumen.
Besseres Landnutzungsverhältnis
Agroforstsysteme haben ein wesentlich besseres Landnutzungsverhältnis. Das bedeutet, dass auf einem ha Agroforst mehr Ertrag zustande kommt, als auf jeweils 0,5 Hektar Monokultur-Getreideanbau und 0,5 Hektar Monokultur Obstanbau. Das Landnutzungsverhältnis wird wissenschaftlich mit der Kennzahl „LER“ (Land equvalent ratio = also Landäquivalenzverhältnis) abgebildet. Die Kennzahl liegt in diesem Beispiel für den Agroforst bei 1,4 im Vergleich zur Monokultur. Das bedeutet, dass die Erträge eines Hektar Agroforst in einer Monokultur 1,4 Hektar Land benötigen würden. Agroforstsysteme brauchen also weniger Land für den gleichen Ertrag und sind somit wesentlich produktiver.
Diese Kennzahl ist aber nur beispielhaft für die tatsächlichen Verhältnisse. Zum Beispiel liegt sie wie unten in der Tabelle an erster Stelle beschrieben für Auberginen und Jackfrucht bei 2,17 und Kakao in Kombination mit Kokosnusspalmen bei 1,36. Es wird aber definitiv deutlich, dass Zwischenpflanzungen im Allgemeinen, aber auch die Kombination mit Bäumen im Verhältnis zur Monokultur Ertragssteigerungen mit sich bringen.
Vorteile für das Ökosystem
- In Verbindung mit Getreideanbau tendieren Bäume dazu ihre Wurzeln in tieferen Bodenschichten stärker auszubilden. Das ermöglicht es ihnen, mehr Wasser aus tieferen Schichten nach oben zu holen. Das bietet ihnen auch einen besseren Schutz vor Dürren.
- Bäume beschleunigen den Stoffkreislauf im Boden. Dadurch wird totes organisches Material schneller wieder als Nährstoff für alle anderen Pflanzen verfügbar.
- Bäume agieren durch ihr Wurzelsystem und den Luftaustausch als Wasserpuffer. Sie sorgen also durch Kondensation und Verdunstung an den Blättern für einen Feuchtigkeitsaustausch mit der Luft und sind durch das Wurzelsystem mit dem Wasser im Boden verbunden.
- Agroforstsysteme haben die größte Sonnenausbeute. Auch nach der Getreideernte im Sommer betreiben Blätter immer noch Photosynthese und nutzen die Energie der Sonne für ihr Wachstum.
- Wenn Bäume als Stickstofffixierer eingesetzt werden, übertreffen sie die Düngeleistung von konventionellen Düngern. Daneben sparen die Kleinbauern in Afrika bares Geld und werden unabhängiger von Großkonzernen.
Stickstoff-fixierende Baumarten
Hier noch ein paar Stickstoff-fixierende Baum- bzw. Straucharten die in Deutschland wachsen:
- Robinie (Robinia pseudoacacia)
- Grau-Erle (Alnus incana)
- Sibirischer Erbsenstrauch (Caragana arborescens)
- Ölweiden (z.B. Elaeagnus angustifolia oder Elaeagnus multiflora Thunb.)
Herausforderungen des Agroforst
Warum gibt es hierzulande so wenig Agroforst, wo die Vorteile nicht nur ökologisch sondern auch wirtschaftlich so gut untersucht sind? Ein großes Problem ist, dass es Landwirte braucht, die sich auf Experimente einlassen können. Dazu brauchen sie Zeit, Geld und das nötige Wissen. Leider haben viele Landwirte großen ökonomischen Druck und deshalb auch keine Zeit oder überhaupt die Möglichkeit, sich mit alternativen Anbaukonzepten auseinanderzusetzen. Und Agroforst braucht ein gutes Management. Und gutes Management braucht gute Planung, Zeit und Geld.
Ein anderes Problem ist, dass Agroforst derzeit von den europäischen Landwirtschaftssubventionen ausgenommen ist. Landwirte, die Bäume auf ihren Acker pflanzen verlieren sogar an förderungsfähiger Fläche, da Bäume in der Codierung der Förderbehörden die Anbaufläche schmälern, selbst wenn es fruchttragende Bäume sind. Die Förderbehörden können derzeit nur zwischen reinen Obstplantagen und reinen Getreidemonokulturen unterschieden.
Mischkulturen mit Bäumen und Getreide können deshalb zumindest in Deutschland noch nicht gefördert werden. In Frankreich sieht es da zur Zeit besser aus. Aus meiner Sicht ist es aber nur noch eine Frage der Zeit, bis die guten Ergebnisse aus Frankreich und andernorts auch hier ankommen und Agroforstsysteme entsprechend mit der europäischen Landwirtschaftsförderung förderfähig werden. Bis dahin gehen Landwirte hierzulande ein finanzielles Risiko ein.
Fazit
Der Agroforst hat definitiv großes Potential. Leider steckt er vor allem in Deutschland, aber auch Europa noch in den Kinderschuhen. In den Entwicklungs- und Schwellenländern ist man da schon viel weiter. Das führt zu einer Entwicklungsumkehr: Das ganze praktische Wissen über den Agroforst kommt aus den Entwicklungs- und Schwellenländern in die entwickelten Industrieländer. Dieser Austausch ist aber auch nur dadurch möglich, dass Wissenschaft und Forschung so viel dazu beigetragen haben, die positiven Vorteile des Agroforst herauszustellen. Natürlich tragen auch europäische Interessensverbände mit dazu bei, diese Ergebnisse aufzubereiten und weiter zu kommunizieren.
Angesichts der derzeitigen Entwicklungen des Klimawandels kann ich nur sagen, dass die hiesige Landwirtschaft nicht darum herum kommen wird, Bäume mit in die Ackerlandschaften zu integrieren. Zum Glück können Landwirte dabei auch weiterhin auf Traktoren und Maschinen setzen, um ihre Felder zu bestellen. Denn ich sehe auch auf absehbare Zeit keine flächendeckende Rückkehr zu kleinbäuerlichen Strukturen in den Industrieländern. Die Vorteile des Agroforst werden aus meiner Sicht dann nicht mehr ignoriert werden können, wenn die Ernterückgänge durch Extremwetterereignisse ein „Weiter so“ nicht möglich machen. Bis dahin heißt es aber noch experimentieren, ausprobieren, Erfahrungen sammeln und teilen.
Buchempfehlungen
- Shrubs for Gardens, Agroforestry, and Permaculture. Martin Crawford, 246 Seiten. 29,50€*
- Breadfruit Agroforestry Guide: Planning and implementation of regenerative organic methods. Craig Elevitch, 72 Seiten für 10,70€*
- Temperate Agroforestry Systems. Gordon, Newman und Coleman, 328 Seiten. 95€ (Fachbuch)*
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Titelbild: DEFI-Écologique – DEFI-Écologique, CC BY-SA 4.0
[…] erfüllen. Sie verbessern den Boden durch Humusbildung und fördern den Nährstoffkreislauf4. Zudem bieten sie Schutz vor Wind und Sonne, verbessern das Mikroklima und dienen als Lebensraum […]
[…] – Ein Viertel der Emissionen stammt aus der Landwirtschaft4. […]
Hallo Lukas,
danke für die Richtigstellung! Das wusste ich selber auch noch nicht. Ich werde es gleich korrigieren. Und schön, dass dir unser Blog gefällt!
Liebe Grüße
René
Permakulturblog.de
Klasse Beitrag ????????
Vielleicht könntet ihr aber bei Fachbegriffen noch drauf achten sie richtig zu benutzen. Eine Monokultur beschreibt ein Anbausystem bei dem mehrere Jahre in Folge die gleiche Nutzpflanze angebaut wird (das macht in Deutschland tatsächlich niemand). Ihr meint Reinkultur, also pro Jahr und Schlag immer nur eine einzige Art 🙂 Der Begriff wird durchweg falsch benutzt und wir Verfechter des Mischfruchtanbaus sollten ein gutes Beispiel darstellen und die richtigen Begriffe verwenden (und nicht die die am meisten popularisieren)
Applaus für euren Blog und liebe Grüße
Lukas