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Die Soziokratie ist eine Methode der Entscheidungsfindung, die mich schon seit 2018 begleitet. In diesem Jahr bin ich dem Permakultur Institut e.V. beigetreten, das mit dieser Methode arbeitet. Aus meinem Engagement in diesem Verein konnte ich über die letzten Jahre viele wertvolle Praxiserfahrungen über Soziokratie in der konkreten Anwendung sammeln. Diese möchte ich heute mit dir teilen und aufzeigen, wie sie dir in deinen Gruppenkontexten helfen kann, sinnvolle und effektive Entscheidungen zu treffen.

Herkunft und Bedeutung der Soziokratie

Soziokratie kommt aus dem lateinischen und bedeutet frei übersetzt Begleitete Herrschaft (socius = Begleiter, kratie = herrschaft). Das trifft die ganze Sache schon recht gut auf den Punkt, denn Soziokratie hat nicht unbedingt etwas mit Basisdemokratie zu tun.

Soziokratie ist also eine Entscheidungs- und Organisationsmethode mit der effektive Entscheidungen unter Begleitung (im Sinne einer Transparenz der Entscheidung) aller Beteiligten möglich werden. Wie genau das geht, zeige Dir anhand von einigen Beispielen.

Da sich die Soziokratie im Lauf der Zeit weiterentwickelt hat und es mittlerweile viele ähnlich klingende Begriffe gibt, findet man sie auch unter dem Namen „Soziokratie 3.0“. Damit wird auf die einzelnen Entwicklungsstufen der Methode hingewiesen. Der Einfachheit halber spreche ich in diesem Beitrag einfach von Soziokratie. Einen vertiefenden Einblick in die verschiedenen Ansätze findest Du hier.

Die Kreisstruktur

In der Soziokratie wird grundsätzlich in (Arbeits-)Kreisen gearbeitet. Diese sollen möglichst autonom also unabhängig von anderen Kreisen oder Management-Ebenen entscheiden können. Deshalb wird mit allen ein Entscheidungsbereich festgelegt, in dem sich der Kreis bewegen kann.

Ein Beispiel: Ich bin im Permakultur Institut e.V. im Kreis Öffentlichkeitsarbeit aktiv. Wir haben als Kreis beschlossen uns mehrere Entscheidungsbereiche zu geben, damit wir effektiv arbeiten können. Dazu gehören das Mitgliedermagazin, der Newsletter, Soziale Medien, Verwaltung unseres Budgets und mehr. Konkret bedeutet das, dass wir nicht alle anderen Fragen müssen wenn ein bestimmter Artikel im Mitgliedermagazin erscheinen soll. Wir machen das einfach, weil die anderen Kreise uns das Vertrauen (dazu später mehr) dazu gegeben haben.

Zusätzlich hat jeder Kreis in der Soziokratie auch mindestens ein Ziel, damit er auch auf etwas hinarbeiten kann. Wir im Kreis Öffentlichkeitsarbeit haben das Ziel, Permakultur anschaulich zu machen und im Permakultur Netzwerk Orientierung zu bieten.

Okay, in unserem Kreis können wir also in unserem Entscheidungsbereich auf ein Ziel hinarbeiten. Und die anderen Kreise auch. Deshalb ist das ganze schonmal deutlich effektiver als in einer reinen Basisdemokratie. Wie regeln wir das aber, wenn mal etwas alle Kreise betrifft?

Für diesen Fall gibt es einen übergeordneten Kreis, in dem je ein oder zwei Vertreter aus den Arbeitskreisen sitzen. Im Permakultur Institut heißt dieser Kreis Verbindungskreis. Dort treffen wir uns einmal im Monat um Themen zu besprechen, die nicht von einem der Kreise allein entschieden werden können. Je nach Ausgestaltung können wir Kreisvertreter selbst entscheiden oder müssen vorher ihren Kreis konsultieren. Das hängt ganz davon ab, wie die Methode auf dein eigenen Kontext angepasst wurde.

Die Kommunikation zwischen den Kreisen

Okay super, wir haben also relativ autonome Kreise mit eigenen Aufgaben und einen großen übergeordneten Kreis. Wie sprechen die Kreise aber miteinander? Für diese Aufgabe gibt es mehrere Möglichkeiten in der Soziokratie.

1. Das Logbuch

Logbuch Soziokratie
Bild: von Kelly Sikkema auf Unsplash

Das Logbuch ist ein von allen einsehbares Dokument in dem die Kreise ihre Arbeit und Kommunikation protokollieren. Auch wenn nicht immer alle Zeit haben, alles zu lesen hilft das Logbuch dabei maximale Transparenz herzustellen. Ihr solltet also ein solches Logbuch anlegen (kann gerne digital sein) und jeden Kreis ihre Enscheidungen dokumentieren lassen.

2. Berichte aus den Kreisen

In jeder übergeordneten Kreiskonferenz präsentieren die Arbeitskreise ihre Ergebnisse. Jeder Abgesandte berichtet also was im letzten Monat im eigenen Kreis passiert ist, sodass die anderen Kreisvertreter das mitbekommen. Umgekehrt berichten die Kreisvertreter alles was in den anderen Kreisen passiert ist in ihrem Arbeitskreis und informieren die eigenen Kreismitglieder über die Neuigkeiten.

3. Interner Newsletter

Eine Arbeitsgruppe (nicht unbedingt ein Kreis) pflegt und organisiert einen internen Newsletter über den alle wichtigen Infos verteilt werden. Das ist besonders sinnvoll wenn manche Menschen in der Gruppe nicht so viel Zeit haben, Protokolle zu lesen.

Der Konsent

Soziokratie Konsent

Wie aber entscheiden wir in der Soziokratie? Antwort: Mit dem Konsent. Konsent klingt so ähnlich wie Konsens funktioniert aber etwas anders.

Beim Konsens werden alle nach ihrer Meinung gefragt und jeder kann ablehnen, ohne Gründe nennen zu müssen. Es gibt also ein uneingeschränktes Veto-Recht.

Beim Konsent müssen Gründe vorgelegt werden, wenn jemand sein Veto einlegen will. Dabei unterscheiden wir zwischen schwachen und starken Widerständen. Erst bei einem starken Widerstand würde die Entscheidung blockiert. Bei einem Widerstand versucht die Gesprächsleitung durch Vermittlung einen Kompromiss zu finden, damit eine Entscheidung getroffen werden kann.

Dabei leitet uns der Grundsatz: „Ist die Entscheidung gut genug um jetzt getroffen zu werden und ist es sicher sie auszuprobieren?“. Diese Fragen müssen beide mit „Ja“ beantwortet werden können. Wenn die Entscheidung unausgereift ist, würden wir sie also zurückweisen und weiterentwickeln. Wenn die Entscheidung nicht sicher genug ist, zum Beispiel wegen rechtlicher Bedenken, weisen wir sie ebenfalls zurück, bis wir sicher sagen können, dass sie uns nicht schadet.

Wie starte ich eine Soziokratie?

Diskussion Soziokratie
Bild von Sanu A S auf Pixabay

Um noch konkreter zu werden beschreibe ich in diesem Absatz, wie du mit der Soziokratie konkret loslegen kannst.

Ich nehme einfach mal an, dass du in irgendeiner Form in einer Gruppe aktiv bist. Ob du in einem größeren Gemeinschaftsgarten, einem Wohnprojekt, einem Verein oder einer kleinen Firma tätig bist, spielt dabei nicht so sehr eine Rolle. Soziokratie lohnt sich für dich aber nur, wenn die Anzahl der Personen in deiner Gruppe 10 Menschen überschreitet. Wenn du in deiner Gruppe weniger als 10 Personen hast, kannst du meistens noch basisdemokratisch mit dem Konsens arbeiten.

Im ersten Schritt kannst du deine Gruppenmitglieder dazu auffordern, sich einem bestimmten Projektbereich zuzuordnen. Eventuell habt ihr eine solche Zuordnung auch schon getroffen. Diese Bereiche können Finanzen, Vorstand, Rechtliches, Garten, Seminare usw. sein. Es ist übrigens kein Problem in mehreren Kreisen Mitglied zu sein. Letztlich stärkt das sogar die Verbindung zwischen den Kreisen.

Jeder Kreis sollte also aus mindestens 2-3 Personen bestehen und sich dann daran machen, einen Entscheidungsbereich (Domäne) und Ziele auszuarbeiten. Ziele und Domäne werden dann gemeinsam im Verbindungs- oder Strategiekreis von allen konsentiert. Danach können die Kreise ihre Kreisvertreter*innen wählen (ebenfalls nach dem Konsentprinzip) und in den Verbindungskreis entsenden.

Das klingt jetzt erstmal einfach aber in der Praxis gestaltet sich das ausmachen der Entscheidungsbereiche manchmal schwierig. Ein Tipp von mir: Es muss am Anfang nicht perfekt sein. Ihr könnt dem Entscheidungsbereich später immer wieder Punkte hinzufügen, wenn eure Organisation oder Gruppe dynamisch wächst. Wichtig ist, ins Tun und Anwenden der Soziokratie zu kommen und dich nicht zu lange damit aufzuhalten. Ein passendes Buch zu Lesen schadet aber sicherlich auch nicht.

Soziokratie kann übrigens wunderbar mit anderen Methoden der Sozialen Permakultur kombiniert werden, wie zum Beispiel mit dem Dragon Dreaming von John Croft.

Die Haltung des Vertrauens in der Soziokratie

An dieser Stelle möchte ich noch etwas über die Haltung in der Soziokratie sagen. Das ganze funktioniert in meiner Erfahrung nur dann, wenn sich die Mitglieder gegenseitig Vertrauen. Erst dann kann Verantwortung und Autonomie abgegeben werden. Das ganze ist keine perfekte Basisdemokratie: Ein Stück meiner Entscheidungshoheit am Projekt wird geopftert, damit das Projekt als ganzes vorankommt. Dafür muss ich auch von meiner ständigen Vetomöglichkeit Abschied nehmen und akzeptieren, dass das Projekt ein Eigenleben hat. Damit alle Vertrauen können sollten aber alle informiert sein und Transparenz auch wirklich gelebt werden. Denn nur dann kann ich mein Vertrauen in die Gruppe auch wirklich kultivieren. Hinterzimmergespräche, schlecht geführte Protokolle oder Hinter dem Rücken gesagtes zerstören mein Vertrauen eher.

Kultuviere in deiner Gruppe also von Anfang an Transparenz, Vertrauen und Vernetzung. Denn dann werden auch die anderen in der Gruppe und vor Allem neue dieses Vertrauen spüren und sich darauf einlassen können

Fazit

Für mich ist die Soziokratie ein effektives Tool um gemeinsam zu wirklich sinnvollen Entscheidungen zu kommen. Auch wenn das ganze viel in Business-Kontexten angewandt wird finde ich, dass durchaus auch in kleineren Initiativen seinen Platz findet. Meine Erfahrungen im Permakultur Institut mit der Soziokratie haben mir jedenfalls klar gezeigt, was damit möglich ist und wie wir das Potential der Gruppe entfalten können. Natürlich ist die Soziokratie nicht perfekt. Es ist total gut diese Methode auch auf die eigenen Bedürfnisse anzupassen und zu schauen wie die Gruppe damit am besten umgehen kann. Deshalb kann ich dich nur dazu ermutigen auszuprobieren und deine eigenen Erfahren zu machen!

Was hat das ganze mit Permakultur zu tun? Soziokratie ist eine Methode, die man in der „Sozialen Permakultur“ verorten kann. Was damit gemeint ist und was noch dazugehört liest du in unserem Übersichtsartikel zum Thema Soziale Permakultur.

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Titelbild: Unsplash

Rene Franz

Seit 2016 beschäftige ich mich fast täglich mit der Permakultur. Für mich ist sie einer der ganzheitlichsten Gestaltungsansätze unserer Zeit. Deshalb schreibe ich hier über viele Lösungen mit denen uns die Permakultur dabei helfen kann, den Wandel zu gestalten. Derzeit befinde ich mich in der Weiterbildung zum Dipl. Permakultur-Gestalter an der Permakultur Akademie und zum zertifizierten Holzer Praktiker auf dem Krameterhof.

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