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Tiny Forest

Wenn ich aus der Haustür meiner Wohnung in Frankfurt-Nied gehe, habe ich den 60 Hektar großen Niedwald in Gehweite. Das ist zwar kein Tiny Forest. Für mich ist der Wald aber ein täglicher Ort der Entspannung und der Verbindung mit der Natur. Einen so großen Wald direkt in einer europäischen Metropole zu haben ist ziemlich selten und ich genieße ihn sehr. In den meisten Städten gibt es außer ein paar sehr vom Menschen geprägten Parks kaum wirklich naturnahe Orte.

Vor kurzem machte mich der Permakultur-Gestalter Harald Wedig auf eine neue Bewegung mit dem Namen »Tiny Forest« aufmerksam . Das sind »winzige Wälder« die sich langsam weltweit verbreiten. Derzeit laufen die Vorbereitungen für die Anlage eines solchen kleinen Waldes in Darmstadt auf dem Gelände der Alnatura-Firmenzentrale. Das ist ein Grund für mich, mehr über das Konzept hinter der Bewegung zu erfahren und hier darüber zu berichten. Soviel schonmal vorweg: Der Tiny Forest ist kein Waldgarten und kein Agroforst!

Erfahrung aus Indien

Über einen Kontakt in Deutschland wurde Harald zu einem Workshop eingeladen. Dieser fand im indischen Bundesstaat Madhya Pradesh statt. Es ging um die praktische Umsetzung eines Tiny Forests mit Shubhendu Sharma, einem der Gründerväter der Bewegung. Der Workshop fand im 252 Quadratkilometer großen Kahna Nationalpark statt, in dem eine größere Population bengalischer Tiger lebt, von denen es weltweit nur noch etwa 2.800 Exemplare gibt. Die Landschaft ist geprägt von Grasland und Laubwald.

Der Wald ist umgeben von indischen Dörfern, die auf althergebrachte Art und Weise, ohne Maschinen, Landwirtschaft betreiben. Dort sind die Früchte des Wohlstands des indischen Kapitalismus noch nicht angekommen sind. Um ihren Lebensunterhalt aufzubessern, schlagen die Bewohner dieser Dörfer an den Waldrändern Holz einerseits für ihre Öfen. Andererseits aber auch zur Herstellung von Holzkohle für den Verkauf. Um diesem Umstand zu begegnen und ein Bewusstsein für den Wert des Waldes jenseits der Brennholznutzung zu wecken, luden die Veranstalter Menschen aus eben diesen Dörfern ein. Das Ziel war ihnen zu zeigen, welche positiven Auswirkungen die Neupflanzung von kleinen Wäldern auf das Ökosystem hat.

Tiny Forest
Bild: Harald Wedig

Später stießen auch andere Bewohnerinnen der Region zum Workshop dazu: Bewohner des Waldes vom Volk der Baiga, die sich noch von der Jagd und vom Sammeln von Wildkräutern und Früchten ernähren und also von der Existenz des Waldes abhängig sind. Der Workshop brachte also eine große Vielfalt von untereinander abhängigen Menschengruppen zusammen. Er fand in direkter Nähe eines Tagungshauses statt, das noch in der Kolonialzeit mitten im Wald errichtet wurde. Die Teilnehmer legten den Miniatur-Wald gewissermaßen als Ausgleich für die damals erfolgten Abholzungen an.

Die Anlage des Tiny Forest

Tiny Forest
Bild: Harald Wedig

Was ist aber nun ein Tiny Forest und wie wird ein solcher angelegt? Laut Definition1 handelt es sich um einen dichten, schnell wachsenden Wald. Dieser ist ungefähr so groß wie ein Tennisplatz ist, also mindestens zweihundert Quadratmeter, und wird von Schmetterlingen, Vögeln, Bienen und kleinen Säugetieren sowie Menschen besucht wird. In unseren Städten würde es sich – permakulturell ausgedrückt – um kleine, schnell wachsende und bewusst platzierte Wildniszonen handeln. Festgelegte Bereiche also, in denen keine Nutzung durch den Menschen stattfindet. Die Methodik dahinter sorgt dafür, dass die Bäume schnell hochwachsen und nicht erst in der nächsten Generation zu einem  Wald werden – innerhalb von nur fünf Jahren ist der Tiny Forest mehr als mannshoch.

Um den Bäumen dieses schnelle Wachstum zu ermöglichen, kommt schweres Gerät zum Einsatz. Mithilfe eines Baggers werden der Oberboden und ein Teil des Unterbodens abgetragen und je nach Bodentyp mit Kompost und weiterem organischem Material wie Stroh oder Laub vermischt. Das Ziel ist, den Setzlingen ein ideales Verhältnis von Wasser, Licht und Nährstoffen zur Verfügung zu stellen. Im Anschluss kommt die vermischte Erde wieder auf die Fläche und wird mit drei bis vier Setzlingen pro Quadratmeter bepflanzt. Danach haben Harald und die Teilnehmer den Boden mindestens fünfzehn Zentimeter dick gemulcht, also mit Laub und Stroh oder anderem organischen Material abgedeckt.

Tiny Forest
Bild: Harald Wedig

Ökologische und Soziale Funktionen des Tiny Forest

Der Artenreichtum eines Tiny Forest ist beachtlich: Mindestens 36 Arten kann man in ihm antreffen, dazu gehören Bäume, Sträucher und Stauden für die verschiedenen Ebenen eines Walds. Die benutzten Arten werden in einer vorab durchgeführten Beobachtung in der Umgebung des geplanten Standorts kartiert und bestimmt. Denn im Tiny Forest sollen möglichst standortangepasste und einheimische Arten gepflanzt werden. Die große Artenvielfalt sorgt für eine hohe Resilienz des Biotops und macht es attraktiv für wilde Tiere und Insekten. So entsteht in kürzester Zeit eine kleine Wildniszone, die wir Menschen beobachten und neben der wir entspannen können. Ein Zaun ringsherum sorgt dafür, dass die Fläche auch tatsächlich Flora und Fauna vorbehalten bleibt.

Tiny Forest
Bild: Harald Wedig

Aprospos Menschen: Ein Tiny Forest sollte in unmittelbarer Nachbarschaft auch einen bewusst gestalteten Ort, meist eine Wiese mit ein paar Holzbänken, für uns Menschen bereithalten. Dieser Platz sollte als Outdoor-Klassenzimmer für Kinder dienen, um Umweltbildung ganz früh zu vermitteln und die Verbindung der Kinder zur Natur zu fördern. Zusätzlich soll die Wiese am Tiny Forest auch ein Ort der sozialen Begegnung, ein Treffpunkt für die Anwohner und Kinder in der Nachbarschaft sein.

Wilde Natur in der Stadt – gut für Mensch und Tier

Was ist aber denn eigentlich das Besondere am Tiny Forest? In den meisten Großstädten gibt es doch schon viele Parkanlagen oder sogar Urban-Gardening-Projekte, die genau diesen Zweck erfüllen? Der entscheidende Unterschied liegt in der Vielfalt und der Dichte der Bäume. Denn beim Urban Gardening werden wenig oder gar keine Gehölze eingesetzt und auch in Parks liegen sie meist nicht in einer Dichte vor, dass von einem »Wald« gesprochen werden kann. Im Tiny Forest sind es aber so viele Bäume, dass ihren Fähigkeiten deutlicher zum Tragen kommen.

Da wäre zum Beispiel der Kühlungseffekt: Ein einzelner Baum hat eine Kühlleistung von zehn Standard-Klimageräten. Ein erwachsener Baum kann laut »IVN Natuureducatie« bis zu 8.000 Liter Wasser speichern und über seine Lebensdauer den Feinstaub und die CO2-Emissionen von 10.000 gefahrenen Kilometern eines durchschnittlichen Autos binden. Da in einem Tiny Forest mit einer Größe eines Tennisfelds 600 Bäume Platz finden, wird das Stadtklima im Umfeld deutlich verbessert. Und was ein kleiner Wald schafft, schafft ein Netzwerk von in der Stadt verteilten Tiny Forests noch viel besser…

Tiny Forest
Bild: IVN Natuureducatie

Der Tiny Forest hat eine große Artenvielfalt. Dies kommt durch die Mindestgröße von 200 Quadratmetern zustande und darf nicht von Wegen unterbrochen werden. Die Nutzung durch den Menschen ist also eingeschränkt. Dadurch können viele Tiere und Insekten einen geschützten Lebensraum finden.

Tiny Forest: Positive Auswirkungen auf unsere Psyche

Für uns Menschen hat der regelmäßige Besuch naturnaher Orte psychische Vorteile. Aufenthalte in der Natur verringern den Stress, den unser Gehirn in der Stadt erzeugt, und fördert laut einer Studie aus dem Journal of Environmental Psychology2 unsere allgemeine Konzentrationsfähigkeit. Je mehr wir in die Natur gehen, desto höher wird unsere durchschnittliche Lebenserwartung und desto geringer wird die Wahrscheinlichkeit für stressbedingte Erkrankungen wie Depression, Burnout, Schizophrenie oder hoher Blutdruck.

Ich könnte diese Liste noch um einige positive Aspekte fortsetzen, aber ich belasse es mit meiner eigenen Erfahrung: Wenn ich regelmäßig in den Wald gehe, fühle ich mich wesentlich ausgeglichener und konzentrierter in meinem Alltag. Ich habe weniger Schwierigkeiten, mich auf meine Arbeit zu konzentrieren und kann auch in stressigen Situationen ruhiger und gelassener agieren als ohne diese Ausflüge.

Fazit zum Tiny Forest

Tiny Forests sind eine großartige Möglichkeit, unser städtisches Klima zu verbessern und der Wildnis wieder einen Platz in einer stark von Menschen beeinflussten Landschaft zu geben. In den nächsten Monaten wird der erste städtische Miniwald Deutschlands auf dem Gelände des Biolebensmittel-Konzerns Alnatura entstehen. Ich verfolge die Entwicklung des Projekts mit großem Interesse, das bereits jetzt in die Umgebung ausstrahlt: Die Stadtverordnung Darmstadt hat beschlossen, die Anlage weiterer Tiny Forests im Stadtgebiet zu unterstützen. Ich freue mich sehr darauf die weitere Entwicklung der Bewegung in Deutschland und weltweit zu beobachten.

Buchempfehlung

Einzelnachweise:

  1. Handbuch der Tiny-Forest-Pflanzmethode der niederländischen Organisation »IVN Natuureducatie«
  2. Kaplan, S. The restorative benefits of nature: Toward an integrative framework. Journal of Environmental Psychology 15, 169–182 (1995).
  3. Mieras, Mark: IVN Factsheet: „A little bit of Nature, A big Influence“ (2004)

Rene Franz

Seit 2016 beschäftige ich mich fast täglich mit der Permakultur. Für mich ist sie einer der ganzheitlichsten Gestaltungsansätze unserer Zeit. Deshalb schreibe ich hier über viele Lösungen mit denen uns die Permakultur dabei helfen kann, den Wandel zu gestalten. Derzeit befinde ich mich in der Weiterbildung zum Dipl. Permakultur-Gestalter an der Permakultur Akademie und zum zertifizierten Holzer Praktiker auf dem Krameterhof.

13 Kommentare zu “Tiny Forest – Mit kleinen Wäldern die Städte verändern

  1. Ines

    Hallo liebe kritische Schreiber,
    Ich finde es sehr schade, dass der durchaus positive Ansatz des Tina Forest Konzeptes nicht oder kaum gesehen wird: Es werden Bäume gepflanzt! Und wir brauchen jeden Baum, denn es werden sinnlos so viele gefällt. Ich sag nur: Männer lieben Motorsägen ;).
    Denn das eine Projekt schließt ja anderes nicht aus, dass man sich auch um andere wichtige Naturschutz-Maßnahmen kümmern sollte ist doch selbstverständlich. Aber neue Ideen braucht das Land. Es ist auch wundervoll, dass hier die Kinder einbezogen werden, um das Projekt umzusetzen.

    Also weiter so, liebes Tiny-Forest Team! Lasst euch bitte nicht entmutigen. Es gibt immer Verhinderer und Ermöglicher. Ihr seid letzteres :).
    Herzlichst, Ines

  2. Hallo Rene,
    der Diskurs über Baumpflanzaktionen ist wichtig aber auch irritierend. Sind die turboschnell wachsenden Bäume nicht Wasser auf die Mühlen derer, die den Kopf in den Sand stecken wollen und gerne ihre Allmachtsphantasien bestätigt sehen wollen? Wären die Ressourcen, die in nicht geringem Umfang in den Tiny Forest investiert werden müssen, nicht beim Thema Entsiegelung besser aufgehoben? Sollte das Thema Natur nicht besser ganz und gar bei der Natur bleiben? So hatte ich bisher jedenfalls die Permakultur verstanden. Wenn wir wirklich nicht auf die Natur warten wollen, wäre es dann nicht besser, die Baumschulen zu befähigen, das Baumwachstum zu beschleunigen und wir besorgen die Flächen um möglichst große Bäume aus den Baumschulen zu pflanzen und dann zu pflegen? Wenn der Mensch seine Fehler (Flächenversiegelung) korrigiert, dann ist meiner Meinung nach schon viel gewonnen. Müssen wir aber wirklich auch noch die Natur optimieren?
    Gruß
    Robert Voß

    • Rene Franz

      Hallo Robert,

      vielen Dank für deinen Kommentar. Ich versuche mal auf alle von dir gestellten Fragen einzugehen.

      „Sind die turboschnell wachsenden Bäume nicht Wasser auf die Mühlen derer, die den Kopf in den Sand stecken wollen und gerne ihre Allmachtsphantasien bestätigt sehen wollen?“

      Ich wüsste nicht, wem du hier Allmachtsphantasien in Kombination mit den Kopf in den Sand zu stecken meinst. Kannst du das weiter ausführen?

      „Wären die Ressourcen, die in nicht geringem Umfang in den Tiny Forest investiert werden müssen, nicht beim Thema Entsiegelung besser aufgehoben?“

      Hierzu zwei Punkte:
      1. Entsiegelung und Tiny Forests schließen sich nicht aus: Auf dem Alnatura Gelände wurde die Fläche des dort ehemals befindlichen Panzerwerks entsiegelt und damit erst Platz für den Tiny Forest geschaffen.
      2. Die entweder oder Frage ist glaube ich an dieser Stelle nicht zielführend. Es geht ja nie darum, lediglich eine Naturschutzmaßnahme den vielen anderen Möglichkeiten vorne an zu stellen. Tiny Forests sind eine mögliche Lösung für bestimmte Kontexte, in diesem Fall zum Beispiel bestehende Brachen in den Städten. Wenn diese Flächen noch versiegelt sind, macht es natürlich umso mehr Sinn, diese dann auch für diesen Zweck zu entsiegeln. Auf der anderen Seite könnte man eine solche Fläche aber auch für die Nachverdichtung nutzen, damit weiter außerhalb keine neuen Flächen versiegelt werden müssen. Insgesamt ist das ganze aber eine komplexe Gemengelage und kann nicht so pauschal nach dem Schema „entweder oder“ beantwortet werden.

      „Sollte das Thema Natur nicht besser ganz und gar bei der Natur bleiben? So hatte ich bisher jedenfalls die Permakultur verstanden.“

      Hier solltest du vorsichtig sein! Bei Permakultur geht es ausdrücklich nicht darum, Natur einfach Natur sein zu lassen. Wenn das dein Verständnis von Permakultur ist, kann ich dir nur raten, einmal das Handbuch der Permakultur Gestaltung von Bill Mollison zu lesen, denn dann hast du Permakultur falsch verstanden. Bei Permakultur geht es darum, die Natur zu beobachten und diese Erkenntnisse in die Kultur zu übertragen (so würde Josef Holzer es ausdrücken). Wir nutzen die gemachten Erkenntnisse also bewusst zu nutzen und in eine Gestaltung zu überführen, die uns Menschen ernährt. Darin sind sicherlich auch Flächen enthalten, die ganz Wild gelassen werden (oft als Zone 5 bezeichnet) – aber immer mit dem Zweck, die Ökosysteme in einem Zustand zu haben, dass sie die Flächen in der Bewirtschaftung ausgleichen können.

      „Wenn wir wirklich nicht auf die Natur warten wollen, wäre es dann nicht besser, die Baumschulen zu befähigen, das Baumwachstum zu beschleunigen und wir besorgen die Flächen um möglichst große Bäume aus den Baumschulen zu pflanzen und dann zu pflegen?“

      Das wäre aus meiner Sicht aufgrund der Preise für Bäume problematisch. Bäume, die auf dem Alnatura-Gelände gepflanzt wurden haben teilweise um die 25€ pro Stück gekostet. Dies ist an sich schon problematisch, da ein Teil dieser Bäume durch die kurzen Pflanzabstände und die Konkurrenz wieder verdrängt werden. Bei noch größeren Bäumen muss die Arbeit der Baumschule im Preis widergespiegelt werden und das würde das ganze Unterfangen sehr teuer machen. Ob die Miyawaki-Methode, die ja das Baumwachstum beim Tiny-Forest fördert auch auf Baumschulen angewandt werden kann, ist mir derzeit unbekannt und müsste von Baumschulen vermutlich zunächst ausprobiert werden.

      „Wenn der Mensch seine Fehler (Flächenversiegelung) korrigiert, dann ist meiner Meinung nach schon viel gewonnen. Müssen wir aber wirklich auch noch die Natur optimieren?“

      Ich bin mir sicher, dass die Flächenversiegelung nicht der einzige Fehler ist, den wir Menschen gemacht haben. Es gibt noch eine Reihe von anderen Fehlern, die wir kompensieren müssen, um den Klimawandel als Spezies überleben zu können. Die Natur an sich muss nicht optimiert werden – sie hat über Millionen von Jahren die effizientesten und vielfältigsten Strukturen und Ökosysteme hervorgebracht die es gibt. Was wir aber tun müssen ist, unsere Kultur zu optimieren. Und das bedeutet eben auch uns die Prinzipien der Natur anzusehen und diese Erkenntnisse auf unsere Kultur zu übertragen. Anders geht es nicht, es sei denn wir finden uns mit Genmanipulation und Zuchtnahrung aus Algen und Mehlwürmern ab. Und das ist eine Vorstellung die ich gar nicht akzeptieren mag. Die Permakultur versucht hier durch die Optimierung der Kultur anhand von natürlichen Prinzipien eben einen anderen Weg einzuschlagen. Die Natur kann und will sie aber nicht optimieren.

      Viele Grüße
      Rene

  3. Was wird aus einem Tiny Forest in hundert Jahren? Auf einer innerstädtischen Parzelle von 800 qm haben Vorgängerinnen von mir Ende des 19. Jh einen Konzertgarten mit jungen Linden angelegt, die sich Ende des 20. Jh verwildert und hallenartig darstellten. Stammumfänge von mehr als Metern. Im Seitenlicht hat sich keineswegs der Nachwuchs benachbarter Buchen, Hainbuchen und Ulmen durchgesetzt, sondern neben Vogelkirschen, Traubenkirschen und Ahorn diverse Ilex, also überwiegend der Eintrag durch Vögel aus nahegelegenen Wäldern.
    Eichhörnchen bringen Walnüsse ein und vorübergehend tauchen auch mal einzelne Spechte auf, die aber offenbar leicht den Hauskatzen der Nachbarn zum Opfer fallen.
    Aktuell hatte ich Schwierigkeiten, Stiftungen für den Erhalt der Fläche zu interessieren, weil man sich den Risiken der Verkehrssicherungspflicht alter Bäume nicht aussetzen möchte.
    (Literatur zum Objekt: Dietrich Wiedemann, Das alte Drei Linden / Zur Geschichte eines ehemaligen Uelzener Gasthofes, Der Holznagel 2/2020, Zeitschrift der Interessengemeinschaft Bauernhaus)

  4. Reinhard Seltz

    600 Bäume auf ca. 200m2 zu pflanzen ist schlicht Verschwendung. Die Bäume wurden wahrscheinlich in einer Baumschule groß gezogen und dann zur Fläche transportiert. Nach höchsten 3 Jahren lebt davon maximal noch die Hälfte. Das ist einfach nur schade. Es stellt sich auf so einer Fläche ganz schnell ein ökologisch möglicher Bewuchs ein, der von den Standortverhältnissen vorgegeben wird. Mit fortschreitender Entwicklung wird sich langsam ein Gleichgewicht einstellen. In der Forstwirtschaft gibt es den Begriff der „Weiserflächen“, eine eingezäunte Fläche um Tierverbiss und Zutritt auszuschließen.
    Das kann man mit einem Bruchteil des Aufwandes (600 Bäume???) überall erreichen. Dort die Entwicklung von Flora und Fauna zu beobachten bringt was.
    Mit scheint da hat jemand eine Seminaridee gefunden die gut bezahlt wird.

    • Rene Franz

      Hallo Reinhard,

      zunächst einmal vielen Dank für deinen Kommentar und deine kritischen Gedanken. Wir merken schon seit längerem: das Thema „Tiny Forest“ polarisiert.

      Das ist zunächst mal nichts schlechtes, wenn die Diskussion sachlich bleibt. Das würden wir uns wünschen. Menschen zu unterstellen, das ganze nur für kommerzielle Zwecke zu nutzen halten wir für zu weit gegriffen – es gibt heute viel einfachere Möglichkeiten Geld mit Mist zu verdienen. Beim Tiny Forest sehe ich da schlicht nicht das Marktpotential. In Deutschland gibt es übrigens keine Anbieter für solche Seminare, weshalb du dich schätze ich auf IVN Natuureducatie oder Shubhendu Sharma beziehst. Miyawaki selbst gibt meines Wissens nach keine Seminare, da er bereits über 90 und deshalb vermutlich im Ruhestand ist.

      Wo wir dir Recht geben ist, dass es eine Verschwendung ist, wenn die Bäume aus Baumschulen kommen. Es ist aus unserer Sicht daher sinnvoller, wenn die Bäume vorher selbst aufgezogen werden. Das spart viel Geld. Was die Anzahl der Bäume angeht muss man einfach dazu sagen, dass Miyawaki das schon so beabsichtigt hat. Durch seine Beobachtungen der potentiellen natürlichen Vegetation ist er zu dem Schluss gekommen, dass sich auf diese Weise die am besten angepassten Bäume durchsetzen und durch den Konkurrenzdruck schnell hoch wachsen. Nur so (und durch die Bodenverbesserung) erreicht man in kurzer Zeit den Effekt des schnellen Wachstums. Natürlich kann man darüber streiten, ob diese Methode gut und richtig ist. Wir finden, dass in Anbetracht des Zeitdrucks beim Klimawandel solche Maßnahmen durchaus gerechtfertigt sind. Allerdings natürlich nur, wenn die Bäume nicht alle für 20€ oder mehr pro Baum aus der Baumschule kommt, da geben wir dir Recht.

      Viele Grüße
      Rene
      Autor bei Permakulturblog.de

  5. Rene Franz

    Hallo Heiner,

    erstmal vielen Dank für deine kritischen Gedanken und deinen Kommentar. Es ist uns definitiv wichtig, dass neue Konzepte kritisch begleitet werden – nur so können sie verbessert werden. Das ist für uns auch integraler Bestandteil der Permakultur. Ich möchte jetzt im Einzelnen auf deine Absätze eingehen.

    „Wenn mit viel Aufwand 1.000 Pflanzen verschiedener Arten gesetzt werden, sieht das ganze vielleicht 5 Jahre später wie ein Dschungel aus – hat mit diesem aber herzlich wenig zu tun. Die Jungbäume haben ökologisch einen geringen Wert und stehen gegenseitig in Konkurrenz, die Schwächsten können nicht an den Rand gedrängt werden, denn den gibt es mangels Fläche nicht und sterben weg. Die Artenvielfalt reduziert sich mit zunehmenden Alter. UNWEIGERLICH!“

    Ich habe mich zu dieser Frage nochmal mit Harald Wedig und Claus-Andreas Lessander, Forstleiter vom Nationalpark Birkenfeld in Rheinland-Pfalz ausgetauscht. Dabei kam heraus, dass wir den „Tiny Forest“ nicht als Wald-Ökosystem betrachten dürfen. Der „Tiny Forest“ ist wie eine Insel in einer städtischen Gegend, der am Rand wesentlich mehr Licht bekommt, als in einem Wald-Ökosystem. Der Punkt mit dem Platz stimmt natürlich, da sich der Miniwald nicht einfach an den Seiten ausdehnen kann. Mit Sicherheit findet also eine Reduktion der Artenvielfalt im Zeitverlauf statt, aber man muss das doch im Verhältnis sehen. Es geht hier um die Anlage eines Ökosystems in normalerweise vollkommen toten Gegenden. Im besten Fall war auf dem Gelände vorher ein Rasen oder eine Brache, im schlechtesten Fall war die Fläche vorher versiegelt und wird für den Miniwald vorher aufgebrochen. Und auf der Fläche leben eben nicht nur die Bäume, sondern auch Insekten, Bodenorganismen, Vögel, Kleine Säugetiere usw. In jedem Fall ist der Miniwald also eine ökologische Aufwertung von innerstädtischen, vorher bebauten oder brachliegenden Flächen.

    „Wie sehen die Tiny Forests in 50 oder 100 Jahren ohne `Waldpflege´ aus? Ich nehme an, dass sich der Bestand auf die potentiell natürliche Vegegetation auf dem Standort durchsetzt – z.B. Buchen. Dann war´s das mit dem Artenreichtum, oder glaubt man den Schwarz-Specht auf 200 qm ansiedeln zu können? Aber der kommt eh nicht, denn derartige Wälder müssen ja verkehrssicher sein. Die verbleibenden 5 Bäume einer Art auf den 2 Tennisplätzen sieht man – wenn´s gut läuft ist das mein positives Fazit – in 100 Jahren als Einzelbäume auf einem vergessenen Standort aber mit Wald hat das rein garnichts zu tun.“

    Wie das ganze in 50 bis 100 Jahren aussieht, wissen wir natürlich auch nicht zu 100%. Allerdings muss man dazu sagen, dass wir, wenn wir in diesem Zeitraum nichts tun, vermutlich überhaupt keine Wälder in Deutschland mehr haben. Zumindest nicht, wie wir sie heute kennen. Das Argument, dass die positiven Effekte in einem langen Zeitraum nicht mehr da sind bringt uns doch eigentlich nur dazu, unsere Köpfe in den Sand zu stecken und das kann auch nicht die Lösung sein. Wenn du eine bessere Lösung für innerstädtische Wildniszonen hast, lass uns aber gerne daran teilhaben und sie uns gemeinsam entwickeln! Für konstruktive Kritik sind wir immer offen, für’s Kopf-in-den-Sand-stecken aber nicht. Und außerdem: 5 Bäume auf 200m² mitten in der Stand sind auch nicht nichts. Ein einzelner „Tiny Forest“ ist aber auch viel zu wenig für eine große Stadt. Ein Netzwerk von Miniwäldern in Großstädten ist da, wie im Beitrag geschrieben schon viel interessanter…

    „Naive Marketing-Hypes verleiten zur Annahme, dass wir Wildnis ja ganz schnell herstellen könnten. Und dann können die vorhandenen, urbanen Wälder, Einzelbäume und vergessenen Standorte endlich ordentlich gepflegt werden (Stichwort `Verkehrssicherheit´). DIESE gilt es aber naturnah zu erhalten und zu schützen, was vielfach nicht gelingt…“

    Hier machst du natürlich einen wichtigen Punkt. Die Anlage von Miniwäldern sollte aus unserer Sicht auf gar keinen Fall dazu führen, dass bestehende urbane Wälder (wie zum Beispiel der Niedwald vor meiner Haustür in Frankfurt a.M. mit 60 ha) vernachlässigt oder sogar für Neubauten gerodet und versiegelt werden.
    Natürlich kenne ich nicht die Verwaltung von allen Städten, habe aber den Eindruck, dass in den Stadtverwaltungen durchaus angekommen ist, dass der Klimwandel eine große Herausforderung für Städte darstellt und Grünflächen deshalb erhalten und ausgebaut werden müssen, allein schon für das Thema Kaltluftschneisen und auch den Hochwasserschutz. Ich wäre aber interessiert daran zu hören, an welchen Standorten das nicht gelingt und wo die Haken sind.

    „PS.: recherchiert mal Waldsukzession auf alten Industriestandorten – das geht auch im Kleinen: Fläche einzäunen und beobachten. Null Aufwand und ökologisch hunderfach wertvoller. Denn dann kommt ihr in Kürze nicht mehr mit 36 Arten aus und irgendwann wird das auch zum Wald – schade, dass Tiny Forest® diese Phase einfach überspringt ;-(“

    Das schauen wir uns selbstverständlich mal an. Vielen Dank für diesen konstruktiven Beitrag.

    Viele Grüße
    René
    Autor bei Permakulturblog.de

  6. (Wald)Pädagogik-Projekte, urbane Stadtwälder, vergessene Abpflanzungen und Grün in der Stadt find ich gut – das vorweg 😉

    Aber ich lese gerade überall von ökologischen Vorzügen von Miniwäldern und in diesem Blog werden berechtigte Bedenken mit Halbwissen beiseite gewischt. Kann es sein, dass sich die Initiatoren da verrennen? Mit oberflächlichem Waldwissen mag sich das ganz gut anhören, steigt man aber weniger naiv und tiefer in die Materie ein, dann finden sich erhebliche Denkfehler.
    Wenn mit viel Aufwand 1.000 Pflanzen verschiedener Arten gesetzt werden, sieht das ganze vielleicht 5 Jahre später wie ein Dschungel aus – hat mit diesem aber herzlich wenig zu tun. Die Jungbäume haben ökologisch einen geringen Wert und stehen gegenseitig in Konkurrenz, die Schwächsten können nicht an den Rand gedrängt werden, denn den gibt es mangels Fläche nicht und sterben weg. Die Artenvielfalt reduziert sich mit zunehmenden Alter. UNWEIGERLICH!

    Wie sehen die Tiny Forests in 50 oder 100 Jahren ohne `Waldpflege´ aus? Ich nehme an, dass sich der Bestand auf die potentiell natürliche Vegegetation auf dem Standort durchsetzt – z.B. Buchen. Dann war´s das mit dem Artenreichtum, oder glaubt man den Schwarz-Specht auf 200 qm ansiedeln zu können? Aber der kommt eh nicht, denn derartige Wälder müssen ja verkehrssicher sein. Die verbleibenden 5 Bäume einer Art auf den 2 Tennisplätzen sieht man – wenn´s gut läuft ist das mein positives Fazit – in 100 Jahren als Einzelbäume auf einem vergessenen Standort aber mit Wald hat das rein garnichts zu tun.

    Naive Marketing-Hypes verleiten zur Annahme, dass wir Wildnis ja ganz schnell herstellen könnten. Und dann können die vorhandenen, urbanen Wälder, Einzelbäume und vergessenen Standorte endlich ordentlich gepflegt werden (Stichwort `Verkehrssicherheit´). DIESE gilt es aber naturnah zu erhalten und zu schützen, was vielfach nicht gelingt…

    …warum auch – wir machen doch ´nen Tiny Forest®.

    Denkt mal darüber nach – liebe Grüße
    Heiner,
    ein Sachverständiger für urbane Bäume und Wälder (www.arborist.NRW)

    PS.: recherchiert mal Waldsukzession auf alten Industriestandorten – das geht auch im Kleinen: Fläche einzäunen und beobachten. Null Aufwand und ökologisch hunderfach wertvoller. Denn dann kommt ihr in Kürze nicht mehr mit 36 Arten aus und irgendwann wird das auch zum Wald – schade, dass Tiny Forest® diese Phase einfach überspringt ;-(

  7. Hallo Julia, man kann davon ausgehen, dass die verschiedenen heranwachsenden Bäume und Sträucher sich optimal ergänzen und unterstützen, mehr als eine Baum-Monokultur; und der Sinn ist genau dies, nicht der später zu fällende Großbaum, sondern florale und faunische Vielfalt, die dann ergänzt wird durch z.B. Samen-Eintrag durch Wind und Vögel. Wichtig ist dabei, diese von Menschen angelegte und unterstützte Naturinsel in Ruhe wachsen und werden zu lassen, so dass natürliche Prozesse sich entwickeln können zu Zentren belebter und sich belebender Vielfalt ohne Gifteinträge spritzender Bodennutzer.

    • Rene Franz

      Hallo Ernst-Friedrich, Hallo Julia,

      danke für eure Kommentare. Zu Ernst-Friedrichs Kommentar kann ich ergänzen, dass die Konkurrenz der dicht gepflanzten Bäume um Licht dazu führt, dass sie in die Höhe wachsen und weniger in die Breite. Die dichte Bepflanzung ist also eine Maßnahme, die das schnelle Wachstum der Bäume befördert und das schnelle Wachstum des Tiny Forest erst möglich macht. Ein Teil der Bäume wird auch durch natürliche Selektion aussortiert, gar keine Frage. Übrig bleibt aber trotzdem ein vielfältiger Wald mit über 30 Arten.

      Viele Grüße
      René
      Autor bei Permakulturblog.de

  8. Julia Peh

    Hallo Herr Franz,
    sind vier Bäume je qm nicht sehr viele? So ein Baum braucht doch Platz, nicht nur nach oben.

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